Ein Ganzjahresreifen stellt, wie der Name schon sagt, einen Kompromiss zwischen einem Sommer- sowie einem Winterreifen dar. In diesem Sinne wird von den verschiedenen Herstellern versucht, die wichtigsten Eigenschaften beider Reifentypen zu vereinen. Entsprechend erlauben Ganzjahresreifen eine Nutzung über das ganze Jahr hinweg, ohne zwischen Sommer- und Winterreifen wechseln zu müssen. Der sich aus diesem Umstand ergebende Vorteil ist offensichtlich: Die Anschaffung eines zweiten Satzes Reifen bzw. Felgen entfällt und die lästige Wartezeit beim Fachhändler wird umgangen.
Dieser Vorteil wird sowohl von den Reifenherstellern als auch von Online-Portalen versprochen und die zugehörigen Ganzjahresreifen werden dementsprechend beworben. An dieser Stelle ist gerade bei allzu positiv bewerteten Produkten mit überschwänglichen Kundenbewertungen ein gesundes Maß an Skepsis ratsam, da die Seriösität dieser Produktbewertungen in den meisten Fällen kaum nachprüfbar ist. Die Verfasser der Produktbewertungen bleiben anonym und können beispielsweise mit dem Verkäufer der Reifen übereinstimmen. Gerade auch von den Online-Portalen werden erzielbare Laufleistungen der Allwetterreifen in Höhe von 35.000 bis 55.000 km prognostiziert, leider stellen wir als Fachwerkstatt jedoch immer wieder fest, dass die Laufleistung bei Ganzjahresreifen deutlich unter den Versprechungen liegt. Im Gegensatz dazu ist für Kunden mit Sommer- und Winterreifen tatsächlich eine Laufleistung von bis zu 100.000 km über das gesamte „Reifenleben“ in Summe realisierbar. Hierbei spielen auch Faktoren, wie z.B. die Einsatzart des Fahrzeuges (Kurz- oder Langstrecke), das Fahrzeuggewicht oder die Motorleistung, eine Rolle. Zudem setzen wir voraus, dass der Reifenwechsel beim Fachhändler durchgeführt wird, wo nicht nur der alleinige Radwechsel erfolgt, sondern auch gleich nach dem Zustand anderer Fahrwerkskomponenten (Lenkungsteile, Bremse, Spureinstellungen, Ablaufbild der Reifen, Luftdruck) geschaut wird und entsprechende Fehler direkt behoben werden können. Diese Dienstleistungen geschehen im Hintergrund und werden vom Kunden oft nicht bemerkt. Dabei geschieht die Durchsicht des Fahrzeugzustandes für den Kunden kostenlos. Zudem werden die Räder auch jede Saison i.d.R. neu ausgewuchtet, was sich wiederum positiv auf die Haltbarkeit der Lenkungsteile auswirkt. Darüber hinaus werden die Räder ebenfalls jede Saison von vorne nach hinten durchgetauscht, um das Verschleißbild bzw. die Abrollgeräusche zu verringern. Denn die meisten Fahrzeuge haben lediglich eine angetriebene Achse, was zu einem ungleichmäßigen Reifenabrieb der Reifen vorne und hinten führt. Das Durchwechseln der Räder führt dabei zu einem gleichmäßigen Abrieb aller Reifen.
Bei Ganzjahresreifen empfehlen wir unseren Kunden immer wieder, zumindest einmal im Jahr zum Auswuchten sowie zum Wechsel der Reifen von der angetriebenen zur nicht-angetriebenen Achse vorbeizuschauen, um einen gleichmäßigen Verschleiß, die Sichtkontrolle der Verschleißteile und die Überprüfung der Spur vom Fachmann gewährleisten zu können. Nur auf diese Weise kann eine erhöhte Laufleistung der Ganzjahresreifen erzielt werden. Gerade der regelmäßige Kundenbesuch inkl. der Kontrolle des Reifenzustandes ist die notwendige Voraussetzung für unsere Planungssicherheit, um im richtigen Zeitpunkt auch die passende Reifendimension vorrätig zu haben. Anderenfalls kann es passieren, dass bei einer kurzfristigen Verschlechterung der Witterungsverhältnisse, die eine größere Profiltiefe der Reifen erforderlich machen (im Winter geht man von mindestens 4 mm Restprofiltiefe aus), der passende Reifen nicht mehr zur Verfügung steht. Um eine ausreichende Profiltiefe der Allwetter- bzw. Ganzjahresreifen im Hinblick auf den Winter sicherzustellen, muss dieser Reifentyp im Herbst oft frühzeitig ausgetauscht werden. Dementsprechend erreichen Ganzjahresreifen ihr Laufleistungsende i.d.R. nicht, da anders als im Sommer während des Winters mit deutlich höheren Restprofiltiefen gefahren werden sollte. Vor diesem Umstand kann sich eine separate Nutzung von Sommer- und Winterreifen rentieren. Zudem gilt es stets zu beachten, dass wie oben bereits beschrieben ein Ganzjahresreifen immer einen Kompromiss zwischen einem Sommer- sowie einem Winterreifen darstellt, sodass je nach Hersteller Allwetterreifen je nach Kriterium 10 bis 20 % schlechter abschneiden als ihre „saisonalen Brüder“.
Wir empfehlen die Verwendung von Ganzjahresreifen nur unter bestimmten Bedingungen, wie beispielsweise einer jährlichen Laufleistung von unter 10.000 km oder im Wissen, dass das Fahrzeug ehe in den nächsten zwei Jahren abgegeben wird, sodass die Abnutzung zweier separater Reifensätze unvorteilhaft wäre. Von Allwetterreifen ist insbesondere in bergigen oder schneereichen Regionen abzuraten bzw. wenn ein Skiurlaub geplant ist. Zudem gilt es die regionalen Reifenverordnungen der einzelnen europäischen Länder zu beachten. So herrscht beispielsweise ab dem 01.10. jeden Jahres in Slowenien eine Winterreifenpflicht, während z.B. in den Sommermonaten in Italien Sommerreifen mit einem ausreichenden Speed-Index vorgeschrieben sind. Erkundigen Sie sich deshalb vor Reisebeginn, welche Richtlinien in Ihrem Urlaubsland vorherrschen.
Bei der Kennzeichnung von Winterreifen wird der Endverbraucher mit zwei unterschiedlichen Symbolen auf den Seitenflanken der Reifen konfrontiert: dem M&S-Symbol sowie dem Schneeflocken-Piktogramm. Das M&S-Symbol hat nur eine geringe Aussagekraft und kann von jedem Hersteller auf seine Reifen aufgeprägt werden, ohne dass der Reifen auf seine Wintereigenschaften/-tauglichkeit geprüft werden müsste. Das M&S-Symbol sagt lediglich aus, dass es sich um einen Reifen handelt, der auf Grund seiner Bauart im Vergleich zu einem Sommerreifen verbesserte Eigenschaften für Fahrten auf Schnee aufweist. Im Gegensatz dazu haben Reifen mit dem Schneeflockensymbol in einem standardisierten Prüfverfahren besonders gut auf Eis sowie Schnee abgeschnitten und damit ihre uneingeschränkte Wintertauglichkeit unter Beweis gestellt. Wir empfehlen deswegen stets die Verwendung von Reifen mit dem Schneeflockensymbol. Das Schneeflockensymbol ähnelt einem Berg mit drei Spitzen, in dessen Mitte eine einzelne Schneeflocke zu erkennen ist.
M&S-Symbol
Schneeflockensymbol
Reifenlabel
Darüber hinaus spielt das Reifenlabel beim Reifenkauf eine immer wichtigere Rolle. Auf dem Reifenlabel sind dabei die drei Faktoren des Rollwiderstandes, der Nasshaftung sowie der Geräuschemission erfasst. Mit dem neuen Label verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Luftverschmutzung sowie die Lärmbelästigung zu senken. Leider bildet das Energielabel dabei nur einen Teil der zentralen Faktoren eines Reifens ab und vernachlässigt Faktoren, die sich ebenfalls unmittelbar auf die Fahreigenschaften des Fahrzeugs auswirken. Teilweise stehen die Faktoren sogar in Konkurrenz zu einander: So erleben wir in Kundengesprächen immer wieder, dass jemand einen Reifen mit einem geringen Rollwiderstand sowie guten Traktionseigenschaften sucht. Jedoch steht gerade ein minimaler Rollwiderstand in Konkurrenz zu einer hohen Traktion des Reifens. Das Label wurde mit dem Ziel eingeführt, dem Kunden beim Reifenkauf eine Hilfestellung zu geben und die Industrie anzuregen, Reifen mit möglichst guten Eigenschaften in den drei aufgeführten Kategorien zu produzieren. Sicherlich hat es in beiden Bereichen in den letzten Jahren Fortschritte gegeben, dennoch ist zu beachten, dass das Reifenlabel eben nur drei Eigenschaften einbezieht und eine Vielzahl von Faktoren außer Acht lässt, die sich ebenfalls maßgeblich auf die Qualität und die Fahreigenschaften eines Reifens auswirken.
Wir wünschen allen Kunden und Lesern weiterhin eine gute Fahrt!
Mit freundlichen Grüßen
Gunnar Gruhn
Reifen Gruhn